FIDUS Hugo
Höppner 1871-1948
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- Maler Hugo
Höppner im Jahre des Eiffelturms, 1889.
- Fidus, der Getreue, wird er sich
als Künstlernamen zulegen.
- Fidus zusammen mit seiner Mutter. Ein zeitgenössischer Betrachter
hätte wohl in diesem ungleich bekleideten Paar eine Allegorie auf den
Gegensatz von »Zivilisation« und »Kultur« gesehen. Die Mutter: in
schwarzen Rüschen, eingeschnürt im Korsett aus Fischstäben, auf dem
Haupt eine Turmfrisur balancierend. Daneben Fidus: Eine Lichtgestalt der
Jugend, im freifallenden Kleid, freifallend auch das wallende Haar. Das
ist die Zukunft: Freisein von den Zwängen der industriellen
Zivilisation, in der diese Frau noch befangen ist als verschnürte
Gestalt des 19. Jahrhunderts. Fidus im Jägerschen Wollhabit, dem
Reformkleid, ist der Mensch der Zukunft, der wiedergekehrte Germane aus
den Wäldern des Grals.
- Seit hundert Jahren geht die Ewige Jugend den andern, den neuen Weg
und widerruft damit die Ziele der Generation zuvor. Fidus ging zusammen
mit der Völkischen Bewegung den sogenannten «Dritten Weg«, den Weg nach
der Kreuzung von Kommunismus und Kapitalismus.
- Hätte ich als Zwanzigjähriger unter der romantischen Haartracht
solcher Männer rechtslastiges Gedankengut vermutet? Nein. Denn Typen wie
Fidus hätten mir gefallen. Warum nicht ein bißchen Raubritterromantik
mitträumen? Easy Rider, die Leinwandhelden meiner Jugend, vollzogen mit
ihren Choppers ja auch so eine Art Landnahme - Richtung Westen.
- Die Auftraggeber des Titelblattes des Vorwärts, des Organs der SPD,
zum ersten Mai 1905, hatten zu jenem Zeitpunkt gegen Fidus'
Interpretation der Arbeiterbewegung in Gestalten völkischer Hippies noch
keine Einwände. Und darauf möchte ich hinaus: auf die Einsicht in den
inhaltlich unspezifischen Charakter der Zeichen. Noch immer denken wir
klassisch modern, wenn wir glauben, daß einer bestimmten Form bestimmte
Inhalte untrüglich innewohnen. Das kann zu verheerenden Fehlschlüssen
führen. Etwa zum Fehlschluß, daß die »Jugend« gut sei. Wir brauchen das
Wort »Jugendbewegung« und denken sofort an schöne Gesinnungen. Die
verdienstvolle Ausstellung des Württembergischen Kunstvereins »Schock
und Schöpfung« (1986) dokumentiert nur die »gute« Jugend heute. Wir
sehen nur Punks, aber nicht die Repsen. Neonazis gehören nicht zu dem,
was wir uns unter «Jugendkultur« vorstellen. Dabei vergessen wir die
Tradition der »bösen« Jugend: »Movimento« und »Gioventu« gehörten zum
Grundrauschen von Mussolinis Propaganda.
- Das Gute wird siegen nach einem letzten Gefecht. Hier ist er:
Luzifer, der Lichtbringer, der Führer der Jugend! Nicht zu verwechseln
mit Michael Jackson. An der Stirne in Flammenschrift prangt die
Hagall-Rune, Zeichen des Allhegens, des Heils über Alles.
Luzifer tritt gegen die
konventionelle Auffassung auf, er sei des Teufels. Der Name des Bösen
verkehrt sich ins Prinzip des Heils - auch das ein gnostisches Konzept.
Es entspricht den Strategien der Jugend, im Geist des Mephisto, der das
Böse will und dabei das Gute schafft, zu wirken. Konfliktstrategie
nannte es die RAF und erschoß den Arbeitgeberpräsidenten. Heute zündet
die Jugend ein Asylantenwohnheim an. Sie folgen dabei dem Geheiß des
Lichtbringers, wider den Stachel zu löcken, um durch eine große böse Tat
den Kampf zu provozieren zwischen dem Antichrist, dem Affen Gottes und
dem Allmächtigen. Das Prinzip des Guten würde siegen und damit das Reich
der Erlösung in Ewiger Jugend eintreten.
- Diese Erwartung auf Ragnarök, auf Weltende und Götterdämmerung,
wurde von ganz profaner Geschäftstüchtigkeit begleitet - und das bringt
uns Fidus menschlich wieder näher. Hier eine Postkarte für Lebensreform.
Fidus war der Designer der Jugendbewegung in all ihren Schattierungen
zwischen völkischen Sandalen und dem Mandolinenklang der Wandervögel. Er
gab dem Traum der »Jugend« um 1900 bis zum Ersten Weltkrieg den
graphischen Umriß, indem er mit ihren Ideen einen schwunghaften
Devotionalienhandel betrieb. In diesem Sinne gehört Fidus zu den
Erfindern der technisch reproduzierbaren Jugendträume in Form von
Postern und Postkarten.
- Es gehört zur ewigen Illusion der ewigen »Jugend« zu glauben, man
sei eben dabei, die Welt neu zu erfinden. Die Legitimation dazu ist in
der Tat auch immer dieselbe: Das Vorrecht der Frühe, die unumstößliche
Gewissheit, einen kraftvollen, jungen Körper zu haben, dem die Zukunft
gehört. Die Kräfte des Alten wissen im Grunde, daß gegen die »Jugend«
biologisch kein Kraut gewachsen ist. Das einzige Mittel, die«Jugend« um
ihr Vorrecht zu bringen, ist, ihren Körper zu fesseln durch Verbote.
Selbst in der Freikörperkultur.
- Ihr Ziel war die »planmäßige Züchtung schöner, rassereiner, gesunder
Menschen« (Schock und Schöpfung S. 409). Zu diesem Zweck mußte der
Körper befreit werden vom Zivilisationsballast der
- Mode, der nur Entartung und Degeneriertheit übermalte. »Um das
Erbmaterial des Volkskörpers zu verbessern, müssen die Geschlechter
bereits vor der Paarung, sprich: der Hochzeitsnacht, Gelegenheit
erhalten, einander hüllenlos zu mustern, auf dass die prächtigsten
Exemplare der Gattung sich finden, Schwächlinge aber leer ausgehen und
sich nicht fortpflanzen können.« (Schock und Schöpfung, S.409).
Befreiung der Sexualität steht im Dienst der eugenischen Menschenzucht.
- »Das geht nun aber zu weit«, werden Sie jetzt vielleicht einwenden.
»Wir alle gehen ab und an nackt baden - sind wir deswegen Rassisten? Hat
nicht die Freikörperkultur auch einen befreienden Wert gehabt? War die
Bewegung nicht berechtigt gegen das Klima der Prüderie in der
Wilhelminischen Gesellschaft?« So oder ähnlich versucht man zu
differenzieren. Aber ich weiß nicht, ob das eine ganz ohne das andere zu
haben ist.
- Die Ikone der deutschen Jugendbewegung ist Fidus' Lichtgebet. Die
erste Fassung entstand 1908 und wurde wegen großer Nachfrage vom
Künstler mehrmals wiederholt. Die letzte Fassung, die 1938 entstand,
kaufte Reichsminister Martin Borman, Hitlers rechteste Hand. Für das
kleine Portemonnaie gab es das »Lichtgebet« als Öldruck. Nach Frecot,
Geist und Kerbs, den minutiös recherchierenden Biographen des Künstlers,
hat in den 20er Jahren eine Reproduktion jeden zehnten Haushalt
geschmückt. Zur Bildidee soll übrigens auch die Schweiz einen Beitrag
geliefert haben: Nach der Inspirationslegende kam Fidus die Eingebung
während eines Spaziergangs auf der Rigi.
- Wer sich das Lichtkleid anzieht, dem schlüpft die Scham unter die
Haut. Und das war auch das erklärte Ziel derer, die angeblich den Körper
zur öffentlichen Nacktheit befreiten: » Wir sehen in der Nacktgymnastik
das vorzüglichste Mittel zur Abhärtung der Haut, Kräftigung der Nerven
und Stählung der Muskeln« lesen wir im Heft Kraft und Schönheit von 1904
(Schock und Schöpfung, S. 399). Die Freikörperkultur war ein Kreuzzug
gegen die Lust. Der Körper gehörte entsexualisiert zu werden. Durch
Gewöhnung sollten die erotischen Reize, welche sich die Geschlechter in
verhüllter Form intim übermitteln, durch die klinische Atmosphäre der
Öffentlichkeit abgetötet werden. Damit erwies sich die Befreiung als ein
Danaergeschenk an die Jugend. Die Nacktheit als Protest jugendlicher
Schönheit gegen die Alten wird von der Gesellschaft eingeholt und
nutzbar gemacht zur öffentlichen Kontrolle des Eros. Die »Jugend« wurde
kastriert mit den eigenen Mitteln des Protests. Sie wurde das Opfer des
Schocks, den sie den Alten mit ihrer provozierend schönen Nacktheit zu
bereiten trachtete.
- Auch Fidus war nicht prüde. Einen Lebensborn im Jugendstil hat er um
1895 entworfen. Die Paarung sollte als öffentlicher Akt zelebriert
werden. Wenn wir die Raumbezeichnungen auf dem Plan als Regieanweisung
lesen, so hätten Frauen und Männer in Zweierkolonne zwecks Initiation
ins Geschlechtsleben anzutreten vor dem Tempel der Erde. Der Weg hätte
über die Freitreppe ins Innere des Gebäudes geführt, wo sich der Zug
teilte: Die Frauen wären links durch den roten Raum geschritten, die
Männer rechts durch den grünen. In der Rotunde hätten sich die beiden
Züge wieder vereinigt zur rituell vollzogenen Massenkopulation.
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- Das Aus für Fidus kam offiziell 1941, als das
Reichspropagandaministerium sein Bildnis des Führers für die
Veröffentlichung verbot.
Diese Hagall-Rune
über Hitler, das war doch lächerlich! Die Darstellung des Führers durfte
nicht enthusiastischen Spinnern überlassen werden.
- Als die Sowjettruppen im April 1945 in Berlin-Woltersdorf
einmarschierten, drangen ein paar Soldaten in das Fidushaus ein. Im
künstlich verdunkelten Schauraum des Ateliers hing das Gemälde
»Spatenwacht«. Nach der Legende sollen die Sowjets andächtig den Helm
abgenommen haben: Sie glaubten, die Darstellung einer Kolchosfeier zu
sehen. Se non e vero, e ben' trovato. Fidus arrangierte sich mit der
Besatzungsmacht im Ostteil der Stadt. »Da ich von den ersten
einmarschierenden Russen zumeist "angenehm enttäuscht" war, bekannte ich
auf Ämtern, daß wir ein Lügenjoch los seien und daß ich gerade erst
jetzt an einen europäischen Völkerfrühling glaube... Den Russen malte
ich zu ihren Friedensfeiern Stalin und Lenin groß und der SED Rudolf
Breitscheid. Dafür bekam ich etwas Brot und Kartoffeln und die Nährkarte
3.« 1946 wählte Fidus die CDU. Das Entnazifizierungsgesuch ist
unterschrieben: »mit lichtdeutschem Heil U. S. Europa.« Er starb 1948
und hatte nichts gelernt.
- Prof. Dr. Wyss lehrt Kunstgeschichte an der Ruhr
Universität Bochum. Der vorliegende Text ist eine überarbeitete und
gekürzte Fassung seines Vortrags im Rahmen einer Ringvorlesung zum Thema
Rassismus an der Ruhr Universität Bochum im Sommer 1993.
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