Nachfolgende Erläuterungen beruhen auf folgenden Quellen:
"Die Wahrnehmung von 'Landschaft' und der Bau von Autobahnen in Deutschland, Frankreich und Italien vor 1933" von Ingrid Strohkark
Zeitschrift "Der Straßenbau", Jg. 1929-37
"HAFRABA e.V. Deutsche Autobahn-Planung 1926-1934" von Prof. Martin Kornrumpf
       
  Die Reichsautobahnen

Bild von der nach Hafraba-Plänen gebauten Strecke Frankfurt-Darmstadt.

Am 11. Februar verkündete Hitler bei der Eröffnung der "Internationalen Automobil- und Motorrad-Ausstellung" in Berlin die "Inangriffnahme und Durchführung eines großzügigen Straßenbauplanes". Damit sollte ein modernes Verkehrssystem geschaffen werden und die Arbeitslosigkeit wirkungsvoll bekämpft werden. Konkrete Vorstellungen darüber, was gebaut werden sollte und wie dies zu geschehen hatte, bestanden aber noch nicht. Vielmehr sollte zunächst das bestehende Reichsstraßennetz ausgebaut werden; ein Ziel, das auch schon bisher verfolgt wurde, aber aus Geldmangel wenig Resultate zeigte.

Im April 1933 besuchte nun Willy Hof von der "HAFRABA" zweimal Hitler und unterbreitete ihm die Planungen seiner Gesellschaft. Tatsächlich dürften Hitler und seine Berater den hohen Wert der Hafraba-Arbeiten für ihre Zwecke erkannt haben, denn am 1. Mai 1933 verkündete Hitler offiziell den Bau eines Straßennetzes, das nur dem Automobilverkehr vorbehalten sein sollte. Nicht wenige Nazis lehnten die Hafraba-Planungen aus ideologischen Gründen ab. Da sich unter den Mitgliedern der Hafraba mehrere Juden befanden, sah man in den "Autobahn"-Plänen eine "großkapitalistische und jüdische Interessenswirtschaft". Dennoch entstand aus den Hafraba-Plänen und -Studien die Basis für das Netz der Reichsautobahnen.

Am 27. Juni 1933 wurde das "Gesetz über die Errichtung eines Unternehmens 'Reichsautobahnen'" verabschiedet. Dieses Gesetz sah vor, ein Tochterunternehmen der Reichsbahn zu gründen, und diesem den Bau und Betrieb der Autobahn zu übertragen. Die Einbindung der Reichsbahn war ein geschickter Schachzug zur Schwächung eines bisher wesentlichen Widerstandes. Gerade die Beteiligung der Reichsbahn in der Anfangsphase erwies sich als entscheidend für einen raschen Beginn und eine zügige Durchführung. Der Generaldirektor der Reichsbahn Dorpmüller hatte bis dahin die Autobahn als Konkurrenz für die Stellung der ohnehin seit der Inflationszeit schwer gebeutelten Reichsbahn betrachtet und war nun als als Vorstandsvorsitzender der Gesellschaft "Reichsautobahnen" für eine rasche Umsetzung der Pläne verantwortlich.


Das "Urnetz" der "Reichsautobahnen" mit Stand Januar 1934.
Die Gründung der Gesellschaft "Reichsautobahnen" als Tochter der Deutschen Reichsbahn erfolgte am 25. August 1933, nachdem am 18. August 1933 der Hafraba-Verein in die "Gesellschaft zur Vorbereitung der Reichsautobahnen e.V." (GeZuVor) umgewandelt worden war. Aufgabe der Gezuvor war es, die Linienführung der Reichsautobahnen festzulegen und alle Arbeiten technischer, wirtschaftlicher, verkehrspolitischer und propagandistischer Natur zu leisten und zu unterstützen, die dazu dienten, den Bau der Reichsautobahnen vorzubereiten und zu fördern. Willy Hof wurde zum Vorsitzenden des Vorstandes der Gezuvor gewählt. Um mit Planung der Reichsautobahnen in allen Teilen des Reichsgebietes gleichzeitig beginnen zu können, unterteilte die Gezuvor Deutschland in 11 Sektionen.

Die Gesellschaft "Reichsautobahnen" unterstand der Aufsicht der Reichsregierung. Die Aufgaben wurden auf 15 Geschäftsstellen, die sogenannten "Obersten Bauleitungen der Kraftfahrbahnen" verteilt. Dr. Ing. Fritz Todt, der bereits am 28. Juni 1933 zum "Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen" ernannt wurde, erhielt im Laufe der Zeit immer mehr Befugnisse. Anfangs beschränkte sich seine Aufgabe auf Bestimmung der Linienführung und Ausgestaltung der Kraftfahrbahnen. Ab dem 30. November 1933 wurde das Amt des Generalinspektors als oberste Reichsbehörde geführt, womit Todt nahezu ministeriale Gewalt erhielt.


Bau der Reichsautobahn München-Salzburg im Hofoldinger Forst südöstlich von München im Mai 1934.
Am 23. September 1933 erfolgte mit dem ersten Spatenstich Hitlers für die nach Hafraba-Plänen gebauten Teilstrecke Frankfurt-Darmstadt der Anfang des Projektes der "Reichsautobahnen". Die Zeremonie um diesen "Ersten Spatenstich" wurde mit entsprechendem Aufwand inszeniert. Die Leute der Hafraba waren dazu zwar eingeladen, durften aber nicht mehr in Erscheinung treten. Jede Erwähnung der Vorgeschichte hatte zu unterbleiben.

In den letzten Monaten des Jahres 1933 war der Umfang der Bauaktivitäten jedoch eher bescheiden. Maximal 3.900 Arbeiter waren mit dem Bau beschäftigt. Die eigentliche Arbeit am Netz der Reichsautobahnen begann erst am 21. März 1934, nachdem Hitler durch einen weiteren feierlichen Spatenstich für die Strecke München-Salzburg in Unterhaching bei München die sogenannte "Arbeitsschlacht" eingeleitet hatte.

Am gleichen Tag fanden an 22 Stellen Spatenstichfeiern zum Baubeginn von Reichsautobahnstrecken statt, womit etwa 1100 km Autobahnen in Bau standen. Die Wahl der Standorte zeigte allerdings, das es nicht die Absicht de Nationalsozialisten war, möglichst schnell ein funktionstüchtiges Straßennetz zu schaffen. Vielmehr stand die Publikumswirksamkeit des - in allen Regionen des Reichs begonnenen - Baus im Vordergrund. Der zügige Ausbau der vorwiegend den Fremdenverkehr fördernden Strecke München-Chiemsee-Salzburg bestätigt diese These.

Bei der Streckenlegung fanden landschaftliche Besonderheiten und Kulturdenkmäler besondere Berücksichtigung. Die Menschen sollten die Schönheiten und Bauwerke ihres wieder erstarkten Vaterlandes buchstäblich "erfahren". Dieser Richtlinie entsprechend nahm man bei der Projektierung auch Umwege in Kauf.

Bei der Festlegung des Streckenverlaufs fanden auch persönliche Interessen und Wünsche einflussreicher Persönlichkeiten  durchaus Berücksichtigung. Beispielsweise teilte Todt am 1. März 1934 mit, dass den "...Wünschen der Frau von Bismarck, die Autobahnlinie näher an das Gut Wollig heranzurücken..." entsprochen worden ist. Auch die Wünsche von Regierungsmitgliedern bezüglich der Linienführung wurden erfüllt. Im Falle von Rudolf Heß wurde auf dessen Wunsch nicht nur die Strecke um einige hundert Meter verlegt, es wurde sogar eine inoffizielle Auf- und Abfahrtsmöglichkeit geplant.

Neben den oben genannten Momenten spielten offenbar auch Raum erschließende und strategische Fragen eine Rolle, wenn es darum ging, den Streckenverlauf der Reichsautobahnen festzulegen, wobei dem militärischen Aspekt keine allzu große Bedeutung beigemessen werden sollte.


Damals modernste Herstellung von Betondecken durch Einsatz von Maschinen.
Streckenentwicklung der "Reichsautobahnen"

Stand Ende

km

Entw. km

1935

108

108

1936

979

1087

1937

923

2010

1938

1036

3046

1939

255

3301

1940

436

3737

1941

90

3827

1942

34

3861

1943

35

3896

Gesamt

3896

 

Am 19. Mai 1935 wurde das erste Teilstück zwischen Frankfurt und Darmstadt mit einer Länge von 22 km dem Verkehr übergeben. Im September 1936 konnte die Fertigstellung der ersten 1000 km gefeiert werden. Pro Jahr sollte das "Autobahnnetz" um etwa 1000 km wachsen, was aber nur von 1936 bis 1938 gelang.

Durch das "Gesetz zur Neuregelung der Verhältnisse der Reichsautobahnen" und die "Dritte Durchführungsverordnung" im Juli 1938 wurde Todt zum Vorsitzenden des Vorstandes der "Reichsautobahnen" ernannt. Die Dienststellen der Gesellschaft wurden unmittelbare Reichsbehörden und Todt hatte als "Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen" in dieser Organisation weitgehende Befugnisse.

Dennoch konnte Todt nicht verhindern, dass 1939 infolge der Kriegsvorbereitungen wichtige Ressourcen vom Autobahnbau abgezogen wurden. Der Baubetrieb erfuhr dadurch einen raschen und nachhaltigen Rückgang. Bald nach Kriegsbeginn konnte selbst mit dem Einsatz von Fremdarbeitern und Kriegsgefangenen der geplante Umfang der Bauarbeiten nur mit Mühe erreicht werden. Als die Bauarbeiten infolge der Kriegsauswirkungen Ende 1941 bis auf wenige Ausnahmen eingestellt wurde, hatten die "Reichsautobahnen" eine Gesamtlänge von 3.827 km erreicht.
Entwicklung des Autobahnquerschnitts:
Wie in anderen Ländern waren auch in Deutschland zuerst nur breite Fahrbahnen ohne MIttentrennung vorgesehen. Später wurde dieser Querschnitt für wenig frequentierte End- und Gebirgsstrecken der Reichsautobahnen vorgesehen.
 
 
1931 waren schon 2 getrennte Fahrbahnen mit je 2 Fahrstreifen geplant.
 
 
Für die ersten verwirklichten Reichsautobahnen wurde die Fahrstreifenbreite auf 3,75 m vergrößert und es wurden schmale befestigte Seitenstreifen vorgesehen.
 
 
1939 wurden die befestigten Seitenstreifen an der Außenseite schon so breit geplant, dass darauf Fahrzeuge abgestellt werden konnten, ohne in die Fahrstreifen zu ragen.

Das erweiterte Netz "Reichsautobahnen" und der Ausbauzustand Ende 1935.

Das Brandenburger Dreieck südwestlich von Berlin kurz vor Fertigstellung 1936 (heute Dreieck Potsdam mit Abzweigung der A9 vom Berliner Ring A10)
Arbeitsbeschaffung
Obgleich am Beginn der der Bauarbeiten 1933 innerhalb weniger Monate eine beachtliche Anzahl an Arbeitskräften Beschäftigung fanden, relativiert sich die Bedeutung, wenn man das gesamte "Deutsche Reich" als Maßstab nimmt. Die Baustellen mit vielen Spaten schwingenden Arbeitern - in der "Arbeitsschlacht" - ließen sich aber für die Propaganda gut gebrauchen. Zudem wurden in relativ kurzer Zeit Leistungen erbracht, die ebenfalls gut zu "vermarkten" waren. Weitaus mehr Arbeitskräfte wurden aber in die Rüstung benötigt und zunehmend vom Autobahnbau abkommandiert. Nach Kriegsausbruch 1939 verschärfte sich die Situation und brachte schließlich die Bauarbeiten zum Erliegen.

Bautechnik
Die Erreichung des Plansolls von 1000 km Autobahnen pro Jahr machte den Einsatz der damals modernsten Bautechniken notwendig und förderte deren Weiterentwicklung. Erstmals in Europa wurden Betonfahrbahnen und Brücken in "Massenproduktion" hergestellt. Die Ansprüche an die Bauten änderte sich jedoch sehr rasch. Wurden anfänglich architektonisch fortschrittliche Bauten aus schlankem Sichtbeton und Stahltragwerken verwirklicht, mussten schon bald die Darstellungsbedürfnisse der Machthaber berücksichtigt werden, die massive und wuchtige Bauten unter Verwendung von Natursteinen forderten. Dabei spielten aber auch praktische Erwägungen eine gewichtige Rolle, sollte doch der Stahlverbrauch in Hinblick auf den Bedarf in der Rüstungsindustrie gering gehalten werden.


Die 1936 fertiggestellte Brücke Bergen der A8 München-Salzburg wirkt wesentlich zierlicher und moderner als die später gebauten Großbrücken unter Verwendung von Natursteinen.

"Inszenierung der Landschaft"
Die Linienführung der ersten Autobahnstrecken war nicht zuletzt durch den Einfluss Puricellis "hakig" und unharmonisch, da lange Geraden als Ideal angestrebt wurden und Klothoiden (= Spiralkurven) zur Kurvenbemessung noch nicht üblich waren. In den USA baute man aber zu jener Zeit schon die ersten "Parkways" als an die Landschaft angepasste Ausflugsstraßen. Die daraus resultierenden und in der Fachpresse häufig publizierten Erkenntnisse fanden auch bei den Planern der "Reichsautobahnen" Gefallen. Der Landschaftsbezug wirkte zudem identitätsstiftend. Autobahn wurde ein Teil der Landschaft und förderte die Akzeptanz der Anwohner und Nutzer. Diese waren stolz auf "ihre" Autobahn.

Verkehrspolitik
Im Gegensatz zu den USA, wo in den 1930er-Jahren schon nahezu die Vollmotorisierung herrschte, waren die Autobahnen zur Abwicklung des Autoverkehrs noch unnötig. Auch der Güterverkehr war weitgehend auf die Eisenbahn fixiert. Die Militärs schätzten entgegen einschlägiger Gerüchte die Autobahnen auch nicht sonderlich, da sie - vor allem aus der Luft - leicht verwundbar waren und aufgrund des Fehlens an geeigneten Straßenfahrzeugen eine zu geringe Transportkapazität ermöglichten. Die Autobahnen boten aber Gelegenheit, auf eine schöne und nicht allzu weit entfernte Zukunft zu verweisen, in der jede Familie ihr eigenes Auto hatte und damit schnell und bequem weit entfernte Ziele erreichen konnte.